Wie erwähnt hat es bis 2002 gedauert, bis Cpg 363 zum ersten Mal in gedruckter Form zugänglich gemacht wurde. Die Edition Weddige 2002 ist – abgesehen von einigen Kleinigkeiten – weitgehend zuverlässig. Sie hat jedoch einen großen Nachteil. Der Herausgeber scheint mit demselben Problem zu kämpfen, mit dem es auch Ludwig Flúgel gut 500 Jahre zuvor zu tun hatte: Hilkert Weddige fehlen offensichtlich Kenntnisse sowohl des Mittel- als auch des Gegenwartsniederländischen. Er macht zahlreiche Interferenzfehler, sogar wenn er moderne niederländische Nachschlagewerke wie das „Middelnederlandsch woordenboek“ heranzieht. Dadurch ist es ihm nicht möglich, die Mechanismen zu erkennen, die den Schnitzern des Kopisten zu Grunde liegen, und übersieht er sogar die simplen Lesefehler. Dies liegt auch daran, dass er unbeirrt an der Übersetzungstheorie festhält. Ludwig Flúgel spielt für ihn im Überlieferungsprozess von Cpg 363 keine wichtige Rolle. Er sieht in ihm nichts anderes als einen Kopisten, der 1479 zufälligerweise die einzig erhaltene Abschrift einer deutschen Übersetzung des mittelniederländischen „Ogier van Denemerken“ aus dem 13./14. Jahrhundert angefertigt hat. Aus Weddiges Sicht ist der Cpg 363-Text das Werk eines anonymen deutschen Übersetzers, der sich viel Mühe gegeben hat, um den niederländischen Charakter des Textes, insbesondere der Reime, möglichst gut zu erhalten. Die merkwürdige Sprache von Cpg 363 ist seiner Meinung nach nicht die Folge der unzureichenden Sprachkenntnisse eines seinem selbstgesetzten Ziel nicht gerecht werdenden Kopisten, sondern das mit voller Absicht erstrebte Ziel eines Übersetzers. Seine Erklärung für die Tatsache, dass dieser Übersetzer seinem Publikum wissentlich einen teilweise unverständlichen Text präsentierte, entbehrt jeder Überzeugungskraft.
Aus dieser Optik ist es logisch, dass Hilkert Weddige Flúgels Text als unantastbar betrachtet und sich als Herausgeber zum Ziel stellt, ihn so zu erklären, wie er in Cpg 363 steht. Auch unsinnige Wörter, die Flúgels Lesefehlern geschuldet sind wie zum Beispiel „reyne gadir“ statt „tenegader“ (mit einem Male) in Zeile 391, werden von Hilkert Weddige ernst genommen und nicht emendiert, sondern erklärt (siehe Anmerkung zu Zeile 391: „vom Hengst (…) und zusammen mit“). Zahlreiche Kommentare in den Fußnoten (WeNo) und eine ganze Reihe von Lemmata im Glossar (WeGl) sind mehr als überdenkenswert. Und auch Weddiges Interpunktion zeigt ab und zu, dass der Herausgeber den Text nicht versteht. Weil Weddiges Arbeitsweise auf falschen Prämissen beruht, ist es nahezu ausgeschlossen, Cpg 363 auf diese Weise adäquat zu erschließen.
Die Heidelberger Handschrift Cpg 363 <— — —> Die Edition von 2012-2014